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Kategorie: O, Rheinland-Pfalz Zuletzt aktualisiert: 24.04.2017
Oberflörsheim
Namenbelege
1237 universa bona sua aput Flersheim sita (DOZA Wien Hs. 214 Nr. 565 = Wyß 1 Nr. 57), 1237 advocaciam et proprietatem, quam in Flersheim habere (Wyß 1 Nr. 58), 1253 fratres sancte Marie de domo Theutonica in Flersheim (Wyß 1 Nr. 119), 1271 conmendatorem fratrum domus in Vlershem (Wyß 1 Nr. 265), 1276 fratribus domus Theutonice in Obern Vlersheim (Wyß 1 Nr. 324); 1287 Hof zu Ober-Försheim (Regesta Imperii VI,1 S. 457 Nr. 2103); 1348 den Duczschin herren des huses zu Obernflersheim (Wyß 2 Nr. 823); 1357 befestigter Gutshof in Ober-Försheim (Reif S. 62); 1410/11 Flersheim ecclesia parochiali fratres VIIII quorum IV presbiteri (GStA PK Berlin XX OBA 28715 = Biskup/Biskupowa 1, S. 63); 1426 compthur zu Hernflerßheim (LA SP F 7/1213)
Geschichte
Grundlage einer größeren Deutschordensniederlassung bildete offenbar der 1237 für 850 Mark Silber dem Deutschen Orden verkaufte Besitz der elsässischen Benediktinerabtei Hugshofen (Honcourt). Im gleichen Jahr kaufte der Orden für 70 Mark die dortigen Vogteirechte und anderen Besitz des Grafen von Eberstein (Wyß 1 Nr. 57f.). Weiterer umfangreicher Besitz (3 Höfe, 107 Morgen Land und Weinberge) stammt von Ulrich von Knöringen (Streit mit seinen Erben ab 1249; Wyß 1 Nr. 92, 119, 182). Nach Zukauf von Rechten und Besitz u.a. der Herren von Bolanden (nach) 1262, der Templerkommende Mühlheim 1302 und der Johanniterkommende Hangenweisheim 1316 war der Deutsche Orden größter Grundbesitzer im Ort. Im 18. Jh. umfaßte der Besitz 1482 Morgen. Ebenso besaß er das Kirchenpatronat sowie den großen und kleinen Zehnt.
Der bereits 1253 (Wyß 1 Nr. 119) mit einem Ordenskonvent besetzte Besitzkomplex war seit 1251 (Schiedsspruch um Kirchenpatronat, Wyß 1 Nr. 107), eindeutig 1300 (Einholung der Marburger Genehmigung für Gültverkauf; Wyß 2, Nr. 19; Braasch-Schwersmann 1989, S. 15) der dank der Grabeskirche der hl. Elisabeth finanzkräftigen Deutschordenskommende Marburg unterstellt. Möglicherweise wurde zunächst dem Gesamtorden bzw. Deutschmeister direkt unterstellter Besitz für eine finanzielle Gegenleistung Marburg übergeben (Braasch-Schwersmann 1989, S. 15; Militzer 1999, S. 294f.), wie es für den nahegelegenen Deutschordenshof in Biedesheim belegt ist (1221 und 1229 ersterwähnt, 1245 an Marburg für Schulden des Hochmeisters an der Kurie übereignet; Wyß 1 Nr. 12, 17, 79). Neben dem eigentlichen Ordenshaus bestanden Schaffnerei und Pitanz mit separaten Abgabenpflichten an Marburg (Braasch-Schwersmann 1989, S. 17 mit Tabelle in Anm. 64). Bei Visitationen der Ordenshäuser im Reich 1410/11 und 1451 gehörte Oberflörsheim mit jeweils neun Ordensbrüdern, davon vier Priestern, zu den größten Konventen am Oberrhein (Biskup/Janosz-Biskupowa 1, S. 63 und 2, S. 122 und 132). Dazu kamen bis zu 40 Knechte und Mägde (Braasch-Schwersmann 2006, S. 30f.).
Weiteren Besitz und Einkünfte hatte die Kommende in verschiedenen Orten der Umgebung (teilweise kartiert bei Fendler 1993 Kte. 160); detaillierte Angaben geben die 1378 einsetzenden Zins- und Rechnungsbücher der Ballei Marburg (StA Marburg Best. 106b Nr. 1-77), insbesondere das ab 1403 geführte separate Oberflörsheimer Zinsbuch (ebd. Nr. 27) und das Inventar des Hauses von 1416 (Braasch-Schwersmann 2006, S. 32f.). Die letzten Jahresrechnungen (1782-1792) befinden sich nun im LA SP (D 54/74-78 und 89). Die Ordenskommende übernahm die den Gütern anhaftenden Pflichten und hatte im Spätmittelalter den Grafen von Leiningen vier Mannen zu stellen (Böhn 1958, S. 176, Wyss 3 Nr. 1208). Die Kurpfalz erweiterte Rechte verschiedener Herkunft, darunter eine Schutzvogtei über die Deutschordenskommende, zur im Weistum von 1556 dokumentierten Ortsherrschaft (Böhn 1958, S. 35 und 177).
Ähnlich anderen Deutschordenskommenden im kurpfälzischen Einflußbereich bestand die Kommende Oberflörsheim trotz Reformation fort, wozu der Orden u.a. 1568-1593 einen umfangreichen Reichskammergerichtsprozeß führte (LA SP E 6/2757 = BayHStA M RKG 12884). Die Wirtschaftskraft reichte, wie in anderen Kommenden, in der Frühen Neuzeit meist nur zum Unterhalt eines Komturs. Als Teil der lutherischen Ballei Hessen war Oberflörsheim in ordensinterne Konfessionstreitigkeiten einbezogen. Nach Kompromiß der Trikonfessionalität der Ballei 1680/81 (und kurpfälzischem Konfessionswechsel 1685) diente es mehrfach der Aufnahme katholischer Ordensritter in die Ballei; u.a. wurde Kardinal Damian Hugo von Schönborn 1700 Komtur von Oberflörsheim, 1703 Landkomtur. Eine 43seitige Auflistung des Besitzstandes, einschließlich Beschreibung von Wohnhaus, Scheuern und Ställen mit Inventar, hat sich aus dem Jahr 1761 überliefert, als der zuvor selbst genutzte Oberflörsheimer Besitz in Temporalbestand ausgegeben wurde (LA SP D 51/326).
Hinweis: 1353 Januar 10 genehmigt der Offizial von St. Paul zu Worms die Ausführung eines Verbindungsbaus zwischen Dormitorium des Ordenshauses und Pfarrkirche (DOZA Wien Hs. 214 Nr. 554 = Wyß 2, Nr. 886 = Heldmann S. 74)
Baubeschreibung
Die Hofanlage der Deutschordenskommende scheint schon im 13. Jahrhundert von Mauern umgeben gewesen zu sein. Die militärische Sicherung der Anlage übernahm der Reichsschultheiß von Oppenheim, der am 6. Mai 1287 durch König Rudolf von Habsburg entsprechend angewiesen wurde. Am 8. Juni 1357 bat - nach Reif - Kaiser Karl IV. den Pfalzgrafen Ruprecht d.J., den befestigten Gutshof des Deutschen Ordens in Ober-Flörsheim zu schützen (die Quelle Reifs konnte nicht ergründet werden).
Der noch stehende Torturm (Südseite), einer von zwei Zugängen in die Hofanlage, entstand im 15. Jahrhundert. Er präsentiert sich heute dreistöckig mit Waldach. Die Mauern bestehen aus unbehauenen Kalksteinen. Die Fenster entstammen der Renaissancezeit, Anzeichen von Zinnen und Scharten sind nicht zu erkennen. Zwei kleine Lichtschlitze sind teilweise zugesetzt. Die Gewände der spitzbogigen Tordurchfahrt mit einfachem Tonnengewölbe sind aus behauenem Sandstein gefertigt. Vom ehemaligen äußeren Turmtor sind Reste von Balkenlöchern und die Führungen der Torangeln in einem alten Deckenbalken erhalten.
Die Ringmauer, die noch 1773 in einer Beschreibung des Kommenturbaus erwähnt wird (Reif S. 63), ist weitgehend abgetragen. An den neben dem Friedhof stehenden Wohnhäusern sind offensichtlich Steine dieser Umfassungsmauer verbaut worden. Der mutmaßliche Verlauf der Ringmauer in der Flutlinie dieser Gebäude ist noch auszumachen. Auf der gegenüberliegenden Ostseite des Komplexes steht noch ein Stück der alten Ringmauer (4 Meter hoch, 60 cm dick, oben abgerundet) noch aufrecht. Die Mauerecke ist ohne Eckturm, ein Wehrgang oder Zinnen sind nicht erkennbar.
Die im 18. Jahrhundert errichtete Komturei (1773 als Neubau erwähnt) wurde als schlichter langgestreckter Bau mit Eckrisaliten und Doppelmansarddach über der abgetragenen nördlichen Ringmauer errichtet. Damals bestand die Anlage aus dem Torbau, dem Kommendebau, mehreren Scheuern und Höfen und Gärten, einem Teich und Brunnen.
Im Anschluss an das verschwundene Nordtor steht neben dem Kommendebau das im Kern mittelalterliche Schaffnereigebäude, in dessen Untergeschoss (heute Garage) sich ein Gewölbe mit mächtigen viereckigen Ständern und schlichten Kapitellen befindet. Diese alte Ordenskapelle ist heute durch Zumauerungen und Ausbauarbeiten schwer beeinträchtigt.
Im Zuge der französischen Besetzung der Rheinlande wurde die Komturei aufgelöst und die Güter in den Besitz der Ehrenlegion (4/5) gestellt bzw. zum Nationalgut (1/5) geschlagen. Auf dem Plan, der 1806 im Zuge der Versteigerung des Hofgutes angefertigt wurde (Reif S. 40), sind das große Südtor und die Gebäude eingezeichnet, die Umfassungsmauer bzw. ihre Reste fehlen dagegen vollständig.
Literatur: Widder 1786-88, Tl. 3, 1787, S. 149-151; Wagner 1854-65, Bd. 3, 1865, S. 86f.; KD WO 1887, S. 107f.; Brilmayer 1905, S. 349-352; Böhn 1958, S. 176-178;